Daniela Jung und ihr Reitpony Crown Dundee LL treten national und international erfolgreich im Para-Dressursport an. Die Zeitschrift "Reiter & Pferde in Westfalen" (Juni 2024) berichtet aktuell in einem umfangreichen Artikel über die Erfolge der beiden.
Wenn das Pferd zum Lebensretter wird
Geritten ist Daniela Jung schon mit sechs Jahren, sie hat voltigiert und auch Pferde gezüchtet. Dann kam der September 2019 und änderte ihr Leben. Nach einer Gehirnblutung musste die Reiterin praktisch bei null beginnen, Sprechen und Laufen neu lernen, sich beruflich umorientieren. Ohne ihre Pferde wäre ihr das vermutlich nicht gelungen.
Die Taschen sind bereits gepackt in dem alten Stadthaus im Herzen von Gütersloh - alles ist bereit für die Reise zum internationalen Para-Turnier in Mannheim. Daniela Jung und ihre Mutter Ursula bitten auf die Terrasse, kurz darauf erscheint auch ihr Vater.
Dr. Kurt-Herbert Jung und seine Frau wohnten eigentlich in Neuruppin in Brandenburg. Nach Danielas Erkrankung zogen sie aber zurück nach Gütersloh, um ihrer Tochter im Alltag helfen zu können, denn noch immer ist die 39-Jährige eingeschränkt.
Vater Kurt-Herbert Jung pendelt von seiner Arbeit in Neuruppin und Berlin nach Gütersloh, Ursula Jung wohnt nun meistens in Gütersloh. Der Tag, an dem sich das Leben von Daniela Jung änderte und damit auch das der Familie, war der 15. September 2019.
Daniela saß auf dem Pferd, als sie bewusstlos wurde und stürzte. „Der Sturz selber richtete keinen Schaden an, mein Pferd hatte daran auch gar keinen Anteil", erinnert sie sich. Vermutlich führte eine Hirnblutung zu der Ohnmacht. Als Daniela Jung in der Klinik erwachte, war sie nicht mehr in der Lage, zu sprechen oder zu gehen. Pferdefotos an der Wand
„Wir überlegten damals, ob wir die Pferde verkaufen müssen“, berichtet
Ursula Jung. In der Klinik war ihre Tochter mit einer komplett neuen und belastenden Situation konfrontiert, und ihre Eltern konnten nicht einschätzen, wie sich die Zukunft entwickeln würde. Doch dann kamen Danielas Freunde aus dem Reitverein, dem RV Sundern-Spexard, und hängten erst mal Fotos von Danielas Pferden an die Wände.
„Das hat mich sehr motiviert“, erzählt die Reiterin, die vor ihrem Unfall bereits ihr Pony bis zum Bundeschampionat gebracht hatte.
Es folgte dann aber erst einmal eine lange Phase mit Reha und stationären Aufenthalten. 2020 war Daniela in Aachen in der Aphasie-Reha, um wieder sprechen zu lernen. Von dort holten sie ihre Freunde eines Tages zu einem kurzen Heimurlaub ab und brachten sie im Rollstuhl zur Reithalle, in der ihr Pony Crown Dundee LL wartete. „Im Rollstuhl fuhr Daniela an die Bande und zog sich daran hoch. Es war das erste Mal, dass sie aufstand. Sie wollte Dundee streicheln“, erinnert sich ihre Mutter. Ende 2020 war sich Daniela dann sicher: Sie wollte zurück in den Sattel.
Mit Unterstützung durch Danielas Freundin begab sich Familie Jung auf die Suche nach einer geeigneten Therapieeinrichtung, denn eins war klar: Sofort auf ihre eigenen Pferde konnte Daniela nicht. Auf dem Kibitzhof in Gütersloh wurden sie fündig und Therapiepferd Baxter war für ein Jahr Danielas Übungspartner. Auf dem Kaltblüter musste sie wieder lernen, die Balance zu halten und ihre Muskulatur trainieren.
Der nächste Schritt war dann ein Besuch im Pferdesport- und Reitthera- pie-Zentrum der Gold-Kraemer-Stiftung in Frechen. „Dort haben sie mich begutachtet und ihr Okay gegeben, dass ich wieder aufs Pony darf“, erzählt Daniela Jung rückblickend.
Zuerst ritt damals eine Freundin ihr Pony Crown Dundee mit. „Mir das Rei- ten wieder nach und nach anzueignen, ist ein Prozess, der auch heute noch andauert, weil sich mein Körper verändert", erklärt Daniela.
Heute ist sie im Para-Sport aktiv und reitet auch wieder bei Regelturnieren. Für den Para-Sport ist sie in Grade III eingruppiert. In diesem Grade starten zum Beispiel Rollstuhlbenutzer mit starken Einschränkungen der Beinfunktionen und/oder der Rumpfbalance, aber mit guten bis leicht behinderten Armfunktionen. Auch Athleten mit starker einseitiger Funktionseinschränkung in Arm, Rumpf und Bein sind in dieser Klasse startberechtigt - diese Definition trifft auf Daniela Jung zu.
Die Prüfungen bestehen aus Schritt- und Trabsequenzen und wahlweise in der Kür aus bestimmten Galopplektionen. „In meiner Kür reite ich allerdings nicht im Galopp, denn das bringt keinen Vorteil aber Abzüge, wenn es misslingt", erklärt die Reiterin.
Wie viele Para-Reiter, die bereits vor ihrer Einschränkung geritten sind, musste sich auch Daniela Jung umstellen: Denn beim Para-Reiten kommt es unter anderem auf das absolut exakte Reiten der Bahnfiguren an. Was beim Regelturnier womöglich noch als korrekt durchgeht, kann im Para-Sport den Unterschied machen.
Danielas Sportpartner im Regel- wie im Para-Sport ist ihr Pony Crown Dundee LL, den sie dreijährig als Hengst bei einer Auktion der Ponyforum GmbH ersteigert hatte. „Crown Dundee ist herzensgut, aber jetzt ist er Wallach, denn er wurde als Hengst ganz schön übermütig", erzählt seine Besitzerin.
Der nun zwölfjährige Crown Dundee und Daniela Jung sind heute ein eingespieltes Team. In der Prüfung punkten sie besonders in den Schlangenlinien. An Crown Dundee hängt ihr Herz und sie wünscht sich sehr, dass er gesund bleibt und sie noch lange gemeinsam bei Turnieren starten können.
Mittlerweile kann Daniela Jung nicht nur wieder reiten, sondern auch Auto
fahren - dazu wurde ihr Auto extra umgebaut und sie musste eine Prüfung ablegen. Beruflich hat sich die Physiotherapeutin umorientiert. Derzeit bereitet sie sich auf das zweite Staatsexamen Medizin vor - ein Triumph des Willens! Aus einer typischen „Pferdefamilie“ stammt Daniela Jung nicht. Vielmehr ging der Wunsch zu reiten von den beiden Kindern Daniela und Ian-Christopher aus. Angesteckt von seinen Kindern war auch Kurt-Herbert Jung einige Zeit als Reiter aktiv. Daniela saß bereits mit sechs Jahren erstmals auf einem Pferd. Am Beginn stand Pferdepflege und Dressur auf dem Plan, dann kam Voltigieren und später Springen hinzu. Mit Crown Dundee erhielt sie sogar die Nominierung zum Bundeschampionat der vierjährigen Reitponys und stellte ihn bis Dressurpferde L vor.
Auch als Züchterin war Daniela aktiv, besitzt auch heute noch zwei ihrer eigenen Zuchtprodukte - Der kleine Herzbube von Diamond Touch-Fürst Piccolo, und Brilliant Boy von Benicio-Fürst Piccolo. „Wie man sieht, gibt es eine lange und umfangreiche Pferdegeschichte in meiner Familie", fasst sie zusammen.
2021 erhielt Daniela Jung die Chance, zum DOKR nach Warendorf zu kommen und sich mit Der Kleine Herzbube bei Rolf Grebe vorzustellen. Danach ging es Schritt für Schritt weiter, im selben Jahr bekam sie ihre Einstufung National. Erst im vergangenen Jahr folgte die internationale Einstufung. Im niederländischen Kronenberg ritt Daniela mit Crown Dundee die Qualifikation für internationale Starts und war dort siegreich. „Ich war allerdings die einzige Starterin in dem Grade", gibt sie freimütig zu. Vor einigen Wochen war sie dann beim Para-Turnier in Balve und beim Aachen Campus-Turnier dabei.
Nun steht das internationale Para-Turnier in Mannheim an dort entscheidet sich, ob Daniela Anfang Juni zum „Balve Optimum“ darf, anlässlich dem in diesem Jahr erstmals die Deutschen Meisterschaften der Para-Reiter ausgetragen werden. „Das ist aber wohl ein Traum, denn im Paralympics-Jahr ist die DM natürlich Sichtung dafür", räumt sie ein. Das bedeutet: Bei nur wenigen Startplätzen pro Grade werden dort die besten nationalen Para-Dressurreiter Deutschlands antreten, um sich um einen Platz in der Mannschaft für Paris zu bewerben.
Die Paralympics in Paris werden für Daniela Jung nur ein Traum bleiben, doch würde sie gerne mal in Riesenbeck auf der großartigen Anlage reiten, die 2023 Schauplatz der Europameisterschaften der Para-Reiter war. Auch Aachen sei beeindruckend gewesen. „Als ich an der Reihe war, ertönte allerdings vom benachbarten Tivoli großes Getöse der Fußballfans, das gefiel Crown Dundee nicht und er drehte sich einmal um“, erzählt Daniela Jung von ihren Erlebnissen beim Campus-Turnier. Andere Reiter hatten da mehr Glück, und so verbuchte sie den Start in Aachen unter der Rubrik „Erfahrung sammeln".
Ein schöner Erfolg war aber zum Bei- spiel 2022 der Sieg bei den Rheinischen Meisterschaften in Langenfeld. Da sie aber für einen westfälischen Verein reitet, gewann sie nicht den Titel. Beim Turnier in Meerbusch im gleichen Jahr war Daniela Jung bei ihrem allerersten Auftritt im Para-Sport Zweite. 2023 war sie dann bei den mittlerweile zur NRW- Meisterschaft aufgewerteten Wettkämpfen Dritte. In diesem Jahr werden die NRW Meisterschaften im Juli in Fröndenberg ausgetragen. Dort wird Daniela Jung antreten und möchte anschließend noch zwei, drei weitere Turniere reiten, bevor die Saison endet.
Para-Sport im Aufwind
Zu Hause trainiert Daniela Jung mit Michelle de Witt. Regine Mispelkamp, selbst international hoch dekorierte Para-Dressurreiterin, unterstützt sie regelmäßig, und auch der für den Nachwuchs zuständige Co-Bundestrainer Rolf Grebe kümmert sich um Daniela Jung.
„Der Para-Dressursport ist im Aufwind", hat ihre Mutter Ursula Jung fest- gestellt. Zentraler Akteur für die Generierung von Para-Dressurprüfungen bei Regelturnieren in Deutschland ist Detlev Müller, Koordinator für den Basis- und Leistungssport Länderebene Para Dressur DKTHR (Deutsches Kuratorium für therapeutisches Reiten).
„Ich bin so froh, dass ich meinen Sport und meine Pferde habe. Beides hat mir geholfen, in einer anscheinend aussichtslosen Situation über mich hin- auszuwachsen. Und der Sport hilft ja nicht nur mir, sondern vielen anderen, die dabei sein können und denen es vielleicht genauso geht wie mir", ist sich Daniela Jung sicher und sagt auf diesem Weg Dank allen Freunden und Unterstützern, ohne die ihre Entwicklung anders verlaufen wäre.
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